Development meets Strategy
Veröffentlicht am 04.12.2020
10 Impulse für ein wertschöpfendes Learning & Development
Personalentwickler müssen zu Corona-Zeiten unter Hochdruck daran arbeiten, möglichst sämtliche Angebote zu digitalisieren – classroom trainings sind kaum noch möglich. Wir erleben hierdurch einen enormen Treiber nicht nur für digitale Lernformate, sondern auch für die generelle Akzeptanz, sich online mit dem Thema Lernen auseinanderzusetzten, auf Seiten der Lernenden, wie auch von Vorgesetzten und Managern.
In Sachen Digitalisierung nehmen wird daher aktuell frischen Wind wahr, aber reicht es wirklich, die vorhanden Inhalte, Formate und Prozesse online abzubilden? Wir empfehlen dringend, im Zuge der Überarbeitung auch grundsätzliche Weichenstellungen zu überdenken, um Lernen zum normalen Bestandteil der täglichen Arbeit werden zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für die strategische Ausrichtung von L&D und die wirtschaftliche Nutzenbetrachtung. Der gute alte, als pointierte Situationsbeschreibung genutzte fiktive Dialog zwischen CEO und CFO hat weiterhin hohe Bedeutung:
CFO: Und was machen wir, wenn wir in deren Weiterbildung investieren und sie uns dann verlassen?
CEO: Was machen wir, wenn wir es nicht tun und sie bleiben?
Hier wird das Thema Wirksamkeit von L&D allerdings auf Kosten der Qualifizierung und Risiken, nicht optimal einsatzfähige Mitarbeitende halten zu müssen, reduziert.
Wir wollen 10 Impulse geben, L&D in Summe deutlich strategischer auszurichten:
1. Lernkultur
Macht Lernen zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur! Lernen ist für die meisten Jobs kein Luxus oder ‚nice to have‘ mehr, sondern entscheidet über die Daseinsberechtigung. L&D Funktionen im Unternehmen sind nicht die ‚schwarzen Sheriffs‘ die kontrollieren, ob die nachlässigen Mitarbeitenden auch wirklich aufmerksam lernen, sondern Befähiger. Lernen erhält Raum, insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht. Leicht gesagt für Wissensarbeiter, die mit freier Zeiteinteilung flexibel auch die Weiterbildung unterbringen. Für Mitarbeitenden in enger Taktung, sei es in der Krankenpflege oder am Fließband, ist es aber unabdingbar, organisatorisch das Lernen in die Einsatzplanung zu integrieren.
2. Zielgerichtete Angebote
Ein strategieorientiertes L&D Angebot sollte sich an Entwicklungspfaden orientieren, die auf die Positionen und Rollen im Unternehmen zugeschnitten sind, an denen aktuell und zukünftig Mangel herrscht. Voraussetzung hierfür: Eine quantitative und qualitative strategische Personalplanung sowie ein Entwicklungspfad-Konzept, dass flexibel genug ist, meandernde Karrieren in unserer volatilen Welt abbilden zu können. Das Ziel des Lernpfades gibt die Strategie und deren Übersetzung ins Geschäftsmodell vor. Die Strecke dorthin kann über verschiedene Pfade zurückgelegt werden, finden Mitarbeitende sinnvolle Abkürzungen, lernt das System und hält zukünftig neue Routenempfehlungen vor.
3. Zielgruppen
Ein L&D Konzept sollte sehr pointiert darstellen, wer im Fokus der unternehmerisch motivierten Programme steht. Agile Teams und Führungskräfte klassischer Einheiten sollten darin unterstützt werden, welche Mitarbeitenden aktiviert werden sollten. Systematische Vorgehensweise sind für die Top 10%, auf die viele Talent-Management-Konzepte fokussieren, oftmals gar nicht mehr notwendig. Diese Gruppe hat zumeist eine sehr hohe Eigenmotivation, sich weiterzubilden. Hier bedarf es eher des organisatorischen Rahmens sowie der Transparenz über Möglichkeiten und Entwicklungsschritte.
Wie aber aktivieren wir die breite Belegschaft? Hier gilt es, Lernanreize zu setzen, persönlichen Nutzen aufzuzeigen und Hemmschwellen, den ersten Schritt zu gehen, zu reduzieren. Anschließend sollten dann stetige Impulse gesetzt werden, dabei zu bleiben, insbesondere in der isolierten Homeoffice-Welt eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Dies erörtern wir mit Impuls 5.
4. Lernziele und -formate
Entscheidend für ganzheitliches Lernen ist die Operationalisierung der Lernpfade über personalisierte Entwicklungsziele, welche kognitives Lernen („Wissen über Dinge“ / das Was kennen), handlungsbezogenes Lernen („Fähigkeit des Tuns“ / das Wie kennen) und wahrnehmungs- und haltungsbezogenes Lernen („Wahrnehmungs- und Verhaltensveränderung“ / das Selbst kennen) miteinander verbinden. In den Lernpfad werden nicht nur klassische Lernformate der funktionalen Wissensvermittlung aufgenommen, sondern Räume für das gemeinsame Trainieren und Reflektieren (z. B. durch gemeinsame Projektarbeit, Fallstudien und kollegiale Fallberatung) eröffnet und die Lernenden individuell begleitet (z. B. Tandempartnerschaft / Lernpartnerschaft, Mentoring und Coaching).
5. Transparenz & Validierung
Wir müssen den Mitarbeitenden aufzeigen, welche Möglichkeiten bestehen und dies konkret auf Basis der heutigen Tätigkeit, des persönlichen Kompetenzprofiles, der eigenen Wünsche und Antriebe: Welche weiteren Schritte sind für mich sinnvoll und möglich? Was muss ich ganz konkret dafür tun? Wie sieht die Aufwand-Nutzen-Relation für mich persönlich aus?
Transparenz bedeutet dabei nicht, riesige Veranstaltungskataloge online zu stellen und mit der Breite des Angebotes zu locken, sondern konkrete Entwicklungspfade mit praxisorientierten, überprüfbaren kleinen Schritten zu präsentieren.
Für das Unternehmen heißt Transparenz, jederzeit Überblick über die Mitarbeitenden zu haben, die aktiv ihren Entwicklungspfad gehen. Es wird sichtbar gemacht, welche Potenziale in welchen Zeiträumen erschließbar sind, welche Investitionen dafür notwendig werden und welche Auswirkungen sich für die Einsatzplanung ergeben.
Transparenz wird auch für die Erfolgsvalidierung benötigt. Kurs besucht = Wissen erworben = erfolgreich in die Praxis überführt? So einfach ist es leider nicht, den Erfolg der Maßnahmen zu bestimmen. Wir plädieren dafür, explizite Validierungsschleifen einzuplanen und dies nicht alleinig an Führungskräfte zu adressieren, sondern für alle Kompetenzfelder Champions in der der Organisation zu identifizieren. Das ‚endorsement‘ durch Kollegen, die bereits anerkannte Spezialisten im Themenfeld sind, ist besonders wertvoll und valide.
Das Unternehmen erhält durch die oben beschriebene breite Datenbasis eine gute Validierungsmöglichkeit darüber, welche L&D Maßnahmen für welchen Entwicklungspfad zielführend sind.
6. Motivation
Wie motivieren wir die Lernenden, mit hohem Einsatz den eigenen Lernpfad konsequent zu verfolgen? Die Motivstrukturen der Lernenden sind sehr unterschiedlich, ein erfolgreiches L&D Management sollte daher vielfältige Anreize für die vielfältigen Motive bieten. Als Beispiele seien hier genannt:
Leistung und Fortschritt: Transparenz über den aktuellen Stand, über bereits Erreichtes und (auch für andere) sichtbare Artefakte, die dies dokumentieren, spornen zum Durchhalten an.
Bedeutung: Die Etablierung einer Weiterbildungskultur und das Aufzeigen des Beitrages zum zukünftigen Unternehmenserfolg tragen zur Sinngebung für den Lernenden bei.
Knappheit: Engpässe, die durch Zeitbegrenzungen, knapp bemessene Lerngruppen und begrenzte Auszeichnungen entstehen, setzten oftmals ein besonderes Energielevel frei.
Sozialer Einfluss: Attraktive Lerngruppen, Wettbewerbe, Bestenlisten und Social Learning können ein wichtiger Treiber für hohe Nachhaltigkeit sein.
Befähigung: Einfache Hilfsmittel, die persönliche Bucket List, die Wahlmöglichkeit für einen einfacheren Einstieg oder das Wiederholen über Rätsel können willkommene Befähiger sein, die die Lust am Lernen aufrecht erhalten.
Vermeidung: Fortschrittverlust, Verlust von Privilegien, allein schon die Visualisierung eines Rückschrittes setzt für machen Lernende neue Energien frei.
Unvorhersehbarkeit: Überraschungseffekte, zufällige Belohnungen, Verlosungen, unerwartete Exploration: Die Möglichkeiten Spannung im Lernpfad zu halten und immer wieder positiv zu überraschen, sind vielfältig.
7. Eigenverantwortung
Das Unternehmen kann den Rahmen gestalten, Anreize schaffen und vor allem – orientiert an der strategischen Ausrichtung und längerfristigen Planung – Transparenz herstellen zu zukünftigen Bedarfen.
Auf die Reise gehen müssen die Lernenden eigenverantwortlich. Insbesondere in agileren Strukturen kann es nicht mehr Aufgabe der führsorgenden Führungskraft sein, L&D Maßnahmen auszuwählen und den Mitarbeitenden nahzubringen, sowie deren Umsetzung detailliert nachverfolgen zu müssen. Die Mitarbeitenden erhalten die Aufgabe, ihre Beschäftigungsfähigkeit sicherzustellen. Das Unternehmen stellt hierfür das aktivierende (s. Impuls 6) und befähigende Ecosystem.
8. Learning Experience
Lernen, das Erleben verschiedener Formate und Methoden, ja selbst die Nutzung der Systeme darf Spaß machen. Neues Lernen ist immer auch einer Intervention und Möglichkeit, positiv zu Überraschen. Gute Lernsysteme schauen sich Erfolgsfaktoren aus der Gaming Industrie ab, wo Anwender gefesselt werden und teilweise nächtelang virtuellen Entwicklungspfaden folgen, ohne zuvor ein Handbuch oder ein Anwendertraining zu benötigen. Übertragen auf den unternehmerischen L&D Kontext heißt das, das der mobile Zugriff notwendige Voraussetzung ist, die Inhalte attraktiv sein müssen und dass ein kritischer Bedarf sofort gedeckt werden muss, nicht erst über ein Seminar, das in 4 Wochen stattfindet.
9. Honorierung
Monetäre Boni für die erfolgreiche Umsetzung vereinbarter Entwicklungsziele passen nicht zu einer Lernkultur (s.o. zu 1), die Lernen als inherenten Bestandteil eines jeden Jobs auffasst. Die oben genannten Motivatoren und das zur Verfügung stellen von Raum für Entwicklung sollten ausreichen, Lernerfolg nicht erkaufen zu müssen. Wohl aber sollte für alle Lernenden transparent sein, dass sich Weiterentwicklung lohnt. Konsequenzen in der Entgeltentwicklung, Berücksichtigung bei Besetzungsentscheidungen oder besonders kostenintensiven Programmen sollten mit dem persönlichen Engagement in Sachen Entwicklung erkennbar korrelieren. Hier Rollenvorbilder öffentlich zu exponieren, zeigt hohe Wirkung.
10. Digitalisierungund Smart-Data
Komplexere L&D Konzepte lassen sich schwerlich manuell administrieren. Hohe Effizienzgewinne können bei der Lernerverwaltung, bei der Dokumentation von Nachweispflichten und durch automatisierte Zusteuerung von Pflicht-Kursen zu den Lernenden erzielen. Attraktiv gestaltete Self-Services für alle Anspruchsgruppen vereinfacht das Handling enorm. Nutzerzentrierte online Tools für Collaboration, für die kreative online-Zusammenarbeit fördern nicht nur die Produktivität, sondern adressieren auch wieder mehrere Motivationsanreize aus Punkt 6. Die orts- und zeitunabhängige Verfügbarmachung des Contents und der Interaktionsmöglichkeiten über attraktiv gestaltete Portale fördert die Experience aus Punkt 7.
Konsequente Digitalisierung fördert aber nicht nur Effizienz und Nutzerzentrierung, sie schafft die Datenbasis zur Beantwortung vieler Fragen: Welche Lernpfade waren für welche Lernenden erfolgreich? Welche Vorerfahrungen (basierend auf validen Kompetenzdaten und ganzheitlichen Lernhistorien) sind zwingend erforderlich, welche förderlich, um eine intensive L&D Maßnahme erfolgreich zu absolvieren?
Innovative Konzepte nutzen möglichst umfangreiche Qualifikationsdaten, bieten den Mitarbeitenden dabei aber zugleich ein hohes Maß an Kontrolle, welche Daten zu welchem Zweck verwendet werden dürfen. Die kann soweit gehen, dass einem Mitarbeitenden, bei einem Arbeitgeberwechsel ermöglicht wird, die persönlichen Daten mitzunehmen, diese also auch dem neuen Unternehmen wieder zur Verfügung stellen zu können. Noch weiter gehende Konzepte lösen das Datenschutz-Thema sehr elegant: Die Mitarbeitenden sind Eigner ihrer Daten, die in persönlichen Datencontainern gespeichert werden. Der Arbeitgeber und ggf. weitere Bildungsanbieter erhalten Zugänge auf diesen Datencontainer über eine Blogchain-Technologie verliehen, jederzeit administrier-, nachverfolg- und aufhebbar.
Fazit
Mit Umsetzung dieser Impulse erhalten Learning und Development eine hohe strategische Bedeutung. Die zukünftige Leistungserbringung wird personell abgesichert, die Attraktivität als Arbeitgeber maßgeblich gesteigert und so auch der Gewinn externer Talente erleichtert.
Die Umsetzung von agilen Lernpfadkonzeptionen mit multidimensionalen Anreizstrukturen und gamingbasierten Methoden, das Sammeln controllingfähiger und dennoch DSGVO konformer Datenmengen und die transparente, erlebnisorientierte endgeräteunabhängige online Präsentation mag zunächst sehr komplex klingen und sich nach einem riesigen IT-Projekt anhören. Doch so komplex ist das Thema gar nicht. Der Markt hält hervorragende Tools bereit, mit denen viele der hier postulierten Themen sich sehr schnell und wirtschaftlich realisieren lassen.
meHRsalz unterstützt gerne bei einer auf die individuellen Bedarfe zugeschnittenen Lösung.
Titelbild: Lizensiert über AdobeStock
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