New Work needs New Pay*

Veröffentlicht am 10.02.2022

Gehaltstransparenz gibt es auf der meHRsalz schon seitdem wir in See gestochen sind. Alle Gehälter sind für alle Crew-Mitglieder einsehbar, das steht auch in jedem unserer Arbeitsverträge. Transparenz allein reicht aber nicht, um eine gefühlte Fairness zu schaffen. Und wie bereits in dem Blogeintrag unseres ersten Offsites angekündigt, kommt hier ein ausführlicher Blog rund um das Thema Gehalt bei der meHRsalz.

Gefühlte Fairness? Ja, denn wenn wir ehrlich sind, "ein objektiv gerechter Lohn ist gleichwohl ein unerreichbares Ideal [...]" (Franke/Hornug/Nobile (2019), New Pay, S. 236). Unser Ziel ist also ein System zu finden, welches allen das Gefühl gibt, dass man selbst, aber auch alle anderen fair ent- und belohnt werden.
Dazu gibt es mittlerweile auch einige theoretische Ansätze und Vorreiter in Deutschland. Neben o. g. Buch mit vielen Praxisbeispielen (s. auch den zugehörigen Blog), seien hier Einhorn und sipgate als best practices zu dem Thema genannt.
Nach einigen Recherchen, wollte sich aber keine so richtig gute Blaupause für unsere Crew finden, weshalb wir beschlossen haben, gemeinsam in zwei halben Tagen unser eigenes Modell zu finden oder zumindest Ansätze für ein solches zu entwickeln.

Kleiner Spoiler: Ziel erreicht, wenn auch "always beta".

Einstieg

Um uns dem Thema zu nähern und die Gedanken anzuregen, haben wir zur Vorbereitung für unser Offsite eine kleine, anonyme Umfrage gemacht mit Fragen, wie

  • was wäre Dein Wunschgehalt für die nächsten Jahre, wenn Du komplett frei von Unternehmen, KollegInnen, HR oder Führung wählen könntest?
  • und wie kommst Du darauf?
  • was motiviert Dich bei der Arbeit?
  • welche Werte und Haltungen wollen wir in der meHRsalz (auch durch Entlohnung) fördern?

oder einem Ranking welche persönlichen Aspekte wie Urlaub, Zeit für Familie, Gehalt, Purpose, etc. wie wichtig für einen selbst sind.
Dies zum Ausgangspunkt nehmend haben wir in 2-er Teams definiert, was wir eigentlich unter Vergütung verstehen.

Notizzettel mit Text über Vergütung auf Pinnwand

Mit der Definition „Vergütung“ als Basis haben wir uns spielerisch der Definition der sogenannten „Verteilungsgerechtigkeit“ genähert: JedeR durfte sich einen Lego-Stein ziehen. Anschließend wurden zwei Teams gebildet und jedeR sollte innerhalb seiner Gruppe seinen Lego-Stein ergänzen, um letztlich ein Lego-Konstrukt zu erschaffen, welches der anderen Gruppe „verkauft“ wurde. Das damit erwirtschaftete (fiktive) Geld galt es nun innerhalb der Gruppe aufzuteilen. Dabei konnten wir bereits einiges über unsere Grundhaltung und Werte bei der Verteilung von Gehalt lernen (Verteilungsgerechtigkeit), aber auch ein paar Ideen zum Verfahren erkennen (Verfahrensgerechtigkeit).

Ein echtes Produkthighlight wollen wir Euch aber auch nicht vorenthalten: Der meHRsalz Achtsamkeitspapagei. Er soll unsere Denkhaltung verinnerlichen, dass jedes Crew-Mitglied sich nicht ausbeutet, aber auch nicht auf den Kosten der anderen lebt 😊.

Hand hält bunte Bauklötze mit Zahl 8

Cherry Picking

Nun ging es aber inhaltlich wirklich los und wir haben viele, viele Ideen gesammelt, komplette Modelle einiger Unternehmen unter die Lupe genommen und interessante Bausteine / Module aus diesen Modellen für uns analysiert. Über die intensive Diskussion konnten wir diese dann auch schnell wieder einzuschränken mit der Frage: Könnte dieses Modell zu uns passen? Dadurch blieben in der Tat nur 3 für uns passende Ansätze mit zahlreichen inhaltlichen Anregungen übrig:

Baukastensystem
Der Baukasten hält breite Gestaltungsmöglichkeiten parat. Zunächst das Fixgehalt: Hier muss entschieden werden, ob dies für alle identisch gewählt wird, oder hier individuelle Ausprägungen wie Unternehmenszugehörigkeit, Einstufung des Marktwerts, Standort und weitere Faktoren eine Rolle spielen. Jede Rolle im Unternehmen, die eingenommen werden kann, ist dann auch ein Vergütungsbaustein aus dem Baukasten. Jeder Baustein hat somit seinen Wert, auch interne Rollen erhalten somit eine hohe Bedeutung. Das System ist sehr transparent und kann auf die jeweiligen strategischen Prioritäten der Organisation angepasst werden.

Paycoins
Paycoins bedeutet, man kann sich Punkte – eine interne Währung –  "erarbeiten". Diese Punkte erreicht man durch die Realisierung von Umsatz, erfolgreicher Akquise, kann aber neben diesen wirtschaftlichen Messgrößen auch von KollegInnen Punkte in Feedbacks verteilt bekommen.  Am Ende eines Quartals können die Punkte gegen Gehalt, Freizeit oder andere Dinge (Cafeteria-System) eingetauscht werden.

Verhandeltes Fixum + Variable
Bei diesem, in den meisten Beratungen angewendetem Modell, verhandelt jedeR sein Gehalt mit einer „Instanz“ nach Bedarf und erhält zusätzlich eine an Zielen ermittelte Variable.

Diese groben Skizzen galt es nun weiter auszuarbeiten und zu prüfen, ob und wie sie zu uns passen könnten. Ein klassischer Schritt dazu: Personas gestalten, mit denen wir die Modelle durchspielen konnten.

Handgeschriebene Notizen zu Personas mit Skizzen und Details

Adaption

Mittels Time-Boxing haben wir uns nun durch die Modelle gearbeitet, sie anhand der Personas und "echten" Zahlen verprobt und iterativ weiterentwickelt. Nach und nach verabschiedeten wir uns zuerst vom Baukastensystem, denn wir fanden keinen Algorithmus und keine Einstufungen oder Skalen, bei denen wir alle das Gefühl eines „personal fits“ hatten. Das einheitliche Grundgehalt passt nicht zu uns - dafür sind wir, verbunden mit den unterschiedlichen Lebenssituationen, zu divers aufgestellt . Für die individuelle Ausprägung taten wir uns sehr schwer, hierfür einen Algorithmus zu finden, denn  bei der meHRsalz geht es nicht nur um das CV, Jahre der Zugehörigkeit, Umsatz, Akquiseerfolge oder andere KPIs. Vielmehr geht auch darum, KollegInnen zu helfen, sich zu kümmern, Experimente zu wagen, KundInnen zu helfen und auch einmal zu scheitern. Aus unserer Sicht alles schwer mess- und einstufbar oder derart komplex und volatil, dass wir keinen für uns passenden Baukasten finden konnten. “Preisschilder” an internen Rollen und Funktionen fanden wir ebenfalls nicht sonderlich charmant, auch aus der Sorge heraus, dass dann ggf. zukünftig solche Themen, die noch nicht bepreist sind, nicht mehr ernsthaft verfolgt werden. Wir möchten, dass für uns sinnvoll erachtete Themen schnell angegangen und umgesetzt werden und nicht erst deren Bedeutung und Auswirkung auf die individuelle Vergütung definiert werden muss.
Anschließend verabschiedeten wir uns von der Idee der Paycoins oder „Vergütungsshops“ – zuerst im Sinne eines völlig freien Gehalts und schließlich im Sinne eines Einheits-Grund-Gehalts sowie einem variablen Anteil via Coins. Wir wollten eben nicht explizit fakturierbare Stunden oder ähnliches belohnen, da hier - nach unserer Erfahrung – oft falsche Anreize gesetzt werden und kulturschädliche „Verteilkämpfe“ bei jedem Akquiseerfolg entstehen. Auch entstehen Wertungen untereinander und nicht (nur) kollegialer Wettbewerb. Letzteren finden wir aber wichtig – wenngleich nicht gekoppelt ans Gehalt.

Genau so geht es uns mit dem Feedback von KollegInnen: Wir wollen offenes Feedback, Anerkennung, Wertschätzung und laut loben dürfen. 

Eine Kopplung an Boni oder Coins bedeutet aber gleichzeitig, dass Feedback anders gegeben wird und manches Feedback dann ggf. weniger oder "nichts" mehr wert ist, wenn nicht gleichzeitig auch Coins übergeben werden. Dementsprechend haben wir uns also auch davon verabschiedet.
Aber wenn all diese Kriterien nicht greifen, wie soll dann eine Variable im "übrig gebliebenen" Modell gestaltet werden? 
Die Antwort war einfach: Überhaupt nicht! Wir brauchen nicht die Möhre vor uns.

Wir gehen eben nicht von einem Menschenbild aus, dass sich nur dann anstrengt, wenn zusätzlich monetäre Anreize in Aussicht gestellt werden.

Mach neu!

Nach unseren ausführlichen Diskussionen waren wir uns einig, dass jedes Crew-Mitglied ohne vergütungsbasierten Druck arbeiten können soll.
Es braucht also ein individuelles Fixgehalt, dass einem "zum Leben reicht" und gleichzeitig dem "Marktwert" entspricht.
Klingt einfach? Ist es nicht. Denn wie kommt man ohne die klassischen Verhandlungen mit der Führungskraft oder moderner, einem Gehaltsrat, auf ein gefühlt faires Fixgehalt? 
Unsere Antwort: Planning Poker! Planning Poker ist weniger ein Casinomodell als eine Technik für Teams zur gemeinsamen Schätzung von Aufwänden. Die untenstehende Grafik zeigt auf, wie wir den Planning Poker zu einem New Pay Poker transformiert- und individuell auf uns angepasst haben:

Präsentation zu neuem Gehaltsmodell mit Grafiken und Text

Wir wollen uns von den klassischen monetären Anreizen verabschieden aber dennoch alle Crew-Mitglieder daran partizipieren lassen, wenn wir reiche Beute machen. Aber wie können wir den Gewinn gerecht verteilen? Wie definieren wir die Größe des Topfs, den es zu verteilen gilt? Wie bestimmen wir den jeweiligen individuellen Anteil, ohne doch wieder in detaillierte Leistungsparameter zu verfallen?

Dazu müssen wir zuerst unser eigenes Verständnis von Fairness definieren: Denn Fairness bedeutet für die meHRsalz ganz klar, dass alle daran partizipieren sollen, wenn es dem Unternehmen richtig gut geht.

Das heißt für uns: Es gibt einen erfolgsabhängigen Bonus. Die Höhe des Topfes, den wir an alle ausschütten, ergibt sich aus dem vorläufigen Betriebsergebnis des Geschäftsjahres. Das ist nicht gleichzusetzen mit dem "Erfolg" eines Unternehmens, aber doch über einige Jahre hinweg ein klarer Indikator. Um hier eine hohe Verfahrensgerechtigkeit zu erzielen, haben wir beschlossen, dass wir immer einen festen Prozentsatz des Betriebsergebnisses als Bonus verwenden. 
Wer wie viel bekommt - dabei geht es um Verteilungsgerechtigkeit - haben wir lange diskutiert. Am Ende bekommt jeder einen gleichen Teil, ausschließlich abhängig vom Beschäftigungsgrad. Im Klartext bedeutet das, dass Managing Partner die gleiche Bonushöhe erhalten wie Einsteigende in unserer Crew, wenn beide gleich viel, z.B. in Vollzeit, arbeiten.  Wir sind davon überzeugt, dass keineR ohne den anderen den Erfolg des Unternehmens in dieser Art und Weise hätte erreichen können. 

Pirat mit Schatzkarte steht auf Schatztruhe

Darüber hinaus möchten wir auch der Gemeinschaft und Gesellschaft etwas zurückzugeben: Dazu haben wir einen festen prozentualen Anteil des Betriebsergebnisses für ein internes Event vorgesehen und einen weiteren Anteil für ein soziales Projekt. 
Der übrige Teil (mehr als 50 %) ist das eigentliche EBIT der meHRsalz. Über die Verwendung entscheidet die Hauptversammlung, also alle Crew-Mitglieder. 

Teil der Crew,Teil des Schiffs

Doch damit nicht genug: Wir haben auch noch eine sehr unternehmerische Komponente, die allen Crew-Mitgliedern großen Spaß macht: Alle unsere Crew-Mitglieder sollen auch Eigner des Schiffes sein. Was in der Gründung noch einfach war, wollen wir auch bei Zuwachs beibehalten. So haben wir beschlossen, dass jedeR nach bestandener Probezeit eine Aktie des Unternehmens geschenkt bekommt. Ab der ersten Aktie, einem echten Anteil am Stammkapital der Gesellschaft, ist jedeR also auch InhaberIn der meHRsalz.
Unsere  Rechtsform erlaubt uns, Aktien intern zu handeln. Hierfür schaffen wir uns gerade die eigene meHRtrade Plattform. Dadurch haben alle Crew-Mitglieder auch ständig Transparenz darüber, was ihr Aktienanteil wert ist und können versuchen Anteile voneinander zu kaufen.

Gemäß Satzung wird nach der Ergebnisfeststellung vorab für unsere Stimmrechtsaktionäre (also die Crew-Mitglieder) eine Dividende von 3 % ausgezahlt. Über die Verwendung des übrigen Ergebnisses entscheidet die Hauptversammlung gemeinsam. Diese setzt sich ebenfalls aus allen StimmrechtsaktionärInnen zusammen. Der Teil des Ergebnisses, der nicht in eine Gewinnrücklage eingestellt, sondern ausgeschüttet wird, erhöht die Rendite aller AktionärInnen weiter. Schon in unserem ersten vollen Geschäftsjahr erreichen wir so eine Rendite von über 20 % für unsere Aktien!
Dieses komplizierte Modell haben wir aber nicht nur geschaffen, um das Unternehmensergebnis an die Mitarbeitenden zu verteilen, sondern insbesondere dafür, dass alle Crew-Mitglieder auch am Unternehmenswertzuwachs beteiligt sind. Denn dies ist bei vielen anderen sogenannten Partnermodellen in der Beratung doch meistens der Pferdefuß. Auch dort gibt es zumeist nette Verzinsungen der (stillen / virtuellen) Beteiligungen, doch am Wertzuwachs sind die (oftmals wenigen) Partner nicht beteiligt.
Bei uns hingegen hat sich die frühe Beteiligung aller Crew-Mitglieder der Gründungsphase bereits für jedeN ausgezahlt: die Anteile, die zum Nennwert erworben werden konnten, habe seit Gründung bereits eine gewaltige Wertentwicklung erfahren.

Wir freuen uns darauf, Euch auch weiterhin an unserer Gehaltsentwicklung teilhaben zu lassen und bis dahin - Bleibt wie immer gespannt!

Ihr wollt mehr wissen? Meldet Euch gerne bei uns!

* Der Begriff "New Pay" ist geschützt und entwickelt durch die Beratung new-pay.org, deren fundamentale Arbeit rund um neue Vergütung auch uns inspiriert und gestärkt hat.

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